CDU Kreisverband Ostalb

Kiesewetter: Vermisse klares Bekenntnis der Ampel zur transatlantischen Lastenteilung

Nach Ansicht des CDU-Außen- und Sicherheitspolitikers Roderich Kiesewetter weist der Koalitionsvertrag in vielen Aspekten in die richtige Richtung. Dass es keine jährliche Sicherheitsdebatte im Parlament geben soll, sei aber eine vertane Chance, auch sei die Finanzierung von Projekten ungeklärt. Interview des Chefredakteurs der Heilbronner Stimme in Berlin, Hans-Jürgen Deglow:
Herr Kiesewetter, in der Außen- und Sicherheitspolitik formulieren die Ampel-Parteien einige Positionen, die auch die CDU hätte mitgehen können, oder? 

Roderich Kiesewetter: Der Koalitionsvertrag der Ampel ist im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik tatsächlich überraschend unionsnah. So erkennt man viele Forderungen der Union wieder oder kann die Fortsetzung der bisherigen Sicherheitspolitik feststellen. Man sieht hier in vielen Teilen das Verhandlungsgeschick und die Handschrift der FDP, beispielsweise beim klaren Bekenntnis zur Bundeswehr, bei den Themen Modernisierung des Beschaffungswesen und Ausrüstungsoptimierung, wie auch bei der rüstungstechnischen Zusammenarbeit in Europa. Man fragt sich am Ende, warum die SPD nun so vielen Punkten zustimmen konnte, denen sie in der GroKo noch kritisch gegenüber stand.  Für die Außen- und Sicherheitspolitik weist das Ergebnis im Koalitionsvertrag deshalb in vielen Aspekten in die richtige Richtung.
 
Welchen Punkte meinen Sie besonders, wenn Sie davon sprechen, die SPD habe in der GroKo eher reserviert agiert? 
 
Kiesewetter: Wie stark sich die FDP durchgesetzt hat, zeigt die Aussage, „die Bewaffnung von Drohnen der Bundeswehr in dieser Legislaturperiode zu ermöglichen“.  Die Drohnen-Bewaffnung war eines der großen Streitthemen der vergangenen Regierungskoalition und ein Grund, warum ausgewiesene SPD-Verteidigungsexperten wie Fritz Felgentreu oder Thomas Hitschler von ihren Fraktionsämtern zurücktraten. Was die Wende in der SPD-Führung bewirkt hat und warum die SPD sich in der Vorgängerregierung nicht zu dieser Entscheidung durchringen konnte, bleibt fraglich. Die Politik der SPD der vergangenen Jahre hat innerhalb der Bundeswehr für einigen Unmut gesorgt. Mit der Übernahme des Verteidigungsministeriums durch die SPD müssen hier zunächst einige Wogen geglättet werden.
 
Die SPD ist nun zentraler Akteur der Sicherheitspolitik ...
 
Kiesewetter: Ja, aber noch mehr: Die SPD wird, trotz eines grünen Außenministeriums, mit dem Bundeskanzleramt, dem Bundesverteidigungsministerium und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur zentralen Akteurin der Außenpolitik in der Ampel. Hier gilt zu hoffen, dass sich realistisch-pragmatische Außenpolitik durchsetzt und bisherige Streitpunkte wie die zu bewaffneten Drohnen nicht neu aufbrechen.
 
Wo decken sich noch Ampel-Koalitionsvertrag mit Ihren Vorstellungen?
 
Kiesewetter: Es sind das klare Bekenntnis zur Europa, zur transatlantischen Partnerschaft, zur Bundeswehr und ihrer Ausstattung mit bewaffneten Drohnen, zur Nato inklusive des Zwei-Prozent-Ziels und nuklearer Teilhabe wie die Fortführung des vernetzten Ansatzes, der Entwicklungspartnerschaften wie der Initiative Compact with Africa und dem Bekenntnis zur Abrüstung sowie der besonderen Verantwortung für Israel, die allesamt die Fortführung von Unionspolitik oder den Forderungen der Union entsprechen. Die konkrete Unionsforderung, eine gemeinsame, konsequente Klimaaußenpolitik zu entwickeln, wurde von der Ampel ebenfalls aufgenommen.
 
Und das Ziel, wonach alle Mitglieder mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts erfüllen sollen?
 
Kiesewetter: Es ist besonders erfreulich, angesichts der bisherigen Grünen und SPD-Position aber sehr überraschend, das Bekenntnis zum 2-Prozent-Ziel der Nato, das durch den Halbsatz Deutschland werde „seine in der Nato eingegangenen Verpflichtungen“ erfüllen, sowie den Satz „Wir bekennen uns zur Stärkung des transatlantischen Bündnisses und zur fairen Lastenteilung“ ausgedrückt wird.  Ebenfalls ist das klare Bekenntnis zur nuklearen Teilhabe, ausgedrückt im Bekenntnis „zur Aufrechterhaltung eines glaubwürdigen Abschreckungspotenzials“ der „fairen Lastenteilung“ und der Aussage „Wir werden zu Beginn der 20. Legislaturperiode ein Nachfolgesystem für das Kampfflugzeug Tornado beschaffen“ selbstverständlich CDU-Position.
 
Die Ampel-Partner äußern sich auch sehr dezidiert zum Thema Europa. Wie beurteilen Sie dies? 
 
Kiesewetter: Das klare Bekenntnis zu Europa und der angekündigte Einsatz für „eine demokratisch gefestigte, handlungsfähige und strategisch souveräne EU“ wie auch das klare Bekenntnis zur „multilateralen und regelbasierten Weltordnung“ sind nicht überraschend. Das war von demokratischen Parteien nicht anders zu erwarten und hätte die Union sicher ebenfalls so formuliert. Darüber hinaus geht die – sicher sozialdemokratisch  geprägte – Forderung, der Weiterentwicklung der EU zu einem föderalen europäischen Bundesstaat wie auch die Vertiefung sozialer Aspekte innerhalb der EU.
 
Zugleich positioniert sich die Ampel zum Thema Souveränität.
 
Kiesewetter: Mit den Vorschlägen zu Reformen und der Erhöhung der strategischen Souveränität Europas knüpft die Ampel wie in vielen europapolitischen Aspekten an die Initiativen der Vorgängerregierung an und setzt den Kurs in dieser Richtung fort. Mir fehlt dabei ein klares Bekenntnis zur transatlantischen Lastenteilung durch vermehrte und koordinierte europäische Anstrengungen. Sicherheitspolitisch begrüßenswert ist die geplante Stärkung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), um eine handlungsfähiger und einiger auftretendere EU zu entwickeln.
 
Ihre Partei hat zuletzt verstärkt für die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates geworben. Wie finden Sie die Haltung der Ampel? 
 
Kiesewetter: Die Vorlage einer Nationale Sicherheitsstrategie im ersten Regierungsjahr ist ambitioniert aber wichtig; auch das ist eine Unionsforderung gewesen. Schade ist hingegen, dass in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung des Bundessicherheitsrats nicht aufgenommen wurde. Immerhin sollen jedoch Einsätze und Mandate künftig regelmäßig evaluiert werden. Dass es wiederum keine jährliche Sicherheitsdebatte im Parlament geben soll, ist eine vertane Chance, unsere Parlamentsarmee und die deutsche Sicherheitsdebatte zu stärken.
 
Wie beurteilen Sie die Beschreibung der großen Konfliktlinien unserer Zeit im Koalitionsvertrag? 
 
Kiesewetter: Der vernetzte Ansatz, die in großen Teilen Fortführung der entwicklungspolitischen Strategien wie auch die Positionierung zu internationalen Konflikten und Rivalen wie Russland und China, zeugt von großen Kontinuitäten und wenig neuen Impulsen. Strittig wird wohl auch innerhalb der Ampel die Positionierung zu Nord Stream II bleiben, das mit keinem Wort erwähnt wird. Hier wird die neue grüne Außenministerin erste Konflikte innerhalb der Ampel erwarten, da die SPD hier sicherlich andere Ansichten vertritt. Letztlich zeigt aber die Positionierung der Außen- und Sicherheitspolitik am Ende des Vertrages auch, dass die Schwerpunkte wohl vorrangig in anderen Bereichen wie Klimaschutz, Sozialpolitik und innenpolitischen Themen liegen werden. Bleibt also die Frage offen: Bleiben noch „Mittel“ für Deutschlands Rolle in der Welt?
 
Was meinen Sie damit?

Kiesewetter: Offen und fraglich bleiben - wie bei vielen Vorhaben im Koalitionsvertrag - die Finanzierung und die Frage, was am Ende gerade aus diesem Grund nicht umgesetzt werden kann. Darauf weist auch das Fehlen von klaren Positionen zu wichtigen Projekten der Bundeswehr wie dem schweren Transporthubschrauber oder der Vollausstattung des Heeres hin. Daran wird sich die Ampel letztlich dann messen lassen müssen. Zunächst aber wünsche ich alles Gute und viel Erfolg.

(Interview: Heilbronner Stimme