CDU Kreisverband Ostalb

Kostensteigerungen, Bürokratie, Fachkräftemangel und immer mehr Hilfsbedürftige überfordern Pflegeeinrichtungen

CDU Schwäbischer Wald diskutiert über Alten- und Krankenpflege

Es wird immer schwieriger, im Bedarfsfall wegen Krankheit, Alter oder anderer Bedürftigkeit eine Unterstützung in der häuslichen Pflege oder gar in einer stationären Pflegeeinrichtung zu bekommen. Gleichzeitig gehen Betreiber großer Pflegeheime in Insolvenz, können Stellen in der stationären und ambulanten Pflege nicht mehr besetzt werden und insbesondere der ländliche Raum sieht sich einer immer prekäreren Versorgungssituation gegenüber. Ist die Situation wirklich so schlecht? Woran liegt das? Und wie kann die Situation künftig verbessert werden? Das waren die wichtigsten Themen einer Diskussionveranstaltung der CDU Schwäbischer Wald mit Fachexperten und den beiden Abgeordneten Dr. Gräßle und Tim Bückner.
In seinem Eingangsreferat stellte Rudolf Wiedmann, Leiter des Intensivpflegedienstes „Lebenswert“ aus Ellwangen, die Entwicklung der Alten- und Krankenpflege über die Zeit dar. Erfolgte früher die Pflege in der Großfamilie oder im „Ausdinghäusle“ vor Ort, komme heute der professionellen Betreuung zuhause oder in einer Pflegeeinrichtung immer größere Bedeutung zu. Dabei, so Wiedmann, steige die Zahl der Pflegebedürftigen schneller als vorhergesehen und am stärksten die der Menschen in häuslicher Pflege. Das bedeute, daß die Menschen in den Pflegeheimen immer pflegebedürftiger und aufwändiger würden, was wiederum die Arbeitsbelastung der Pflegenden überproportional erhöhe. „Pflege ist ein Knochenjob – und das rund um die Uhr“, folgert er, was bedeute, daß durch Krankheitsausfälle häufig außerplanmäßig eingesprungen werden müsse. Das mache den Beruf, den er selbst gewählt habe und der eigentlich ein toller Beruf sei, zunehmend unattraktiv. Für Wiedmann stellt zudem die mangelnde Refinanzierung der Kostensteigerung durch Lohn- und Nebenkostensteigerungen eine weitere große Belastung für alle Anbieter stationärer Pflegeleistungen dar. Zudem komme eine überbordende Bürokratie mit einer veritablen Prüf- und Dokumentationswut dazu, die weiteres Personal vom Pflegebett wegzögen.

Das Problem zunehmender Finanzierungskosten sprach auch der Leiter der Stiftung Haus Lindenhof, Hermann Staiber, an. Die Landespflegeverordnung sähe den Wegfall von Zweibettzimmern vor, was bauliche Maßnahmen zur Folge habe, die zunehmend schwerer zu finanzieren seien. Dazu käme ein damit verbundener Erlösrückgang, der sich dann in steigenden Kosten für die Pflegebedürftigen widerspiegele. Einrichtungen, die in der Niedrigzinsphase neue und moderne Pflegeeinrichtungen gebaut hätten, würden jetzt zwischen steigenden Finanzierungskosten, sinkenden Erlösen und steigenden Personal-, Sach- und Energiekosten zerrieben. „Viele Pflegeanbieter sind schon verschwunden, noch mehr werden folgen“ schlußfolgerte er. Staiber betonte auch, daß kirchliche und gemeinwohlorientierte Einrichtungen zwar „aufgrund unseres Wertekanons“ etwas resilienter seien, die finanzielle Tragfähigkeit aber dennoch irgendeinmal erschöpft sei.

Für die Seite der Kostenträger erläuterte Frank Seifert, Geschäftsbereichsleiter der AOK Ostwürttemberg das Thema Vergütung und Finanzierung. Auch die Kassen seien durch den Fachkräftemangel und die finanziellen Herausforderungen deutlich unter Druck geraten. Er betonte die Unterstützung der häuslichen Pflege durch die AOK und die Bedeutung der vor Ort verfügbaren und ansprechbaren Krankenkasse. Insbesondere im Heil- und Hilfsmittelbereich würde sehr vieles ermöglicht und bezahlt. Es gebe aber im deutschen Gesundheitswesen immer auch eine finanzielle Fehlsteuerung, die es zu korrigieren gäbe und mahnte eine enge Verzahnung der Akteure im Gesundheitswesen an.

Als Beispiel einer gelungenen Verzahnung aller Hilfsleitungsangebote im Pflege- und Gesundheitsbereich stellte der CDU Ortsvorsitzende und Chirurg Dr. Jens Mayer das Projekt Gesundheitsnetz Schwäbischer Wald vor. Initiiert durch das Landratsamt und gefördert durch das Landessozialministerium verknüpft die Primärversorgungsnetz genannte Einrichtung alle relevanten Akteure der Gesundheits- und Pflegedienstleistenden in der Region Schwäbischer Wald. Die Patientenlotsin Sabrina Beißwenger und die Community health nurse Anne Rehm erläuterten, wie sie die verschiedenen Hilfsangebote verknüpfen und selbst patientennahe Tätigkeiten unkompliziert und berufsübergreifend anbieten können.

Als politischer Experte erwies sich der Landtagsabgeordnete Tim Bückner, der als pflegepolitischer Sprecher der CDU Landtagsfraktion die Situation von politischer Seite aus beleuchtete. Er stimmte mit den beiden Fachleuten in vielen Bereichen überein und erläuterte die vielen Bemühungen und Aktionen der Landesregierung in diesem Bereich. Auch er diskutierte die Möglichkeit eines sozialen Pflichtjahres, um mehr junge Menschen in den Pflegeberuf zu bringen. Gleichzeitig aber verteidigte er die Anerkennungspraxis ausländischer Pflegekräfte, die neben einer Sprach- auch eine Kenntnisprüfung vorsieht, um eine gute Qualifizierung der Pflegenden sicherzustellen.

„Es werden 900 Tausend Menschen in Pflegeheimen gepflegt, aber über 4 Millionen daheim von ihren Angehörigen“ betonte die Gmünder Bundestagsabgeordnete Dr. Inge Gräßle, die lange Zeit ihre Mutter mit zuhause betreut hat. Ihre Erfahrung sei, daß die Hilfsangebote oft nicht oder nicht hinreichend bekannt und die hausärztliche Betreuung durch Hausbesuche oft nicht mehr gegeben seien. Dabei würden insbesondere im Heil- und Hilfsmittelbereich viele Pflegehilfen zur Verfügung stehen. „Als meine Mutter gestorben ist, kam ein kleiner LKW, um die nicht mehr benötigten Hilfsmittel abzutransportieren“ und schloss mit der Aufforderung, rechtzeitig an die barrierefreie Gestaltung der eigenen vier Wände zu denken.