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29.04.2009
Gesetzgeber will die arbeitende Mutter
Neues Unterhaltsrecht stellt die Bedeutung der Familienarbeit in Frage

Bei einem Vortrag von Rechtsanwältin Roman-Josse nahm die Frauen Union des Ostalbkreises das zum 1.1.2008 geänderte Unterhaltsrecht ins Visier. Die Bilanz nach knapp zwei Stunden Vortrag und Diskussion war ernüchternd. Das Gesetz hat weitreichende Konsequenzen für den Wert der Familienarbeit und für die Gesellschaft insgesamt.

Unter dem Deckmantel der „nachehelichen Eigenverantwortung“ wird den geschiedenen Frauen neben der Kindererziehung auch die Sicherung ihres eigenen Lebensunterhaltes aufgebürdet. Ab dem 3. Lebensjahr des jüngsten Kindes wird davon ausgegangen, dass die Frau arbeiten kann.

Im alten Recht hatte die Rechtsprechung das so genannte Altersstufenmodell herausgearbeitet. Dies sah vor, dass eine Frau erst wenn das jüngste Kind etwa 8 Jahre alt war maximal halbtags arbeiten musste. Ab dem 15. Lebensjahr des jüngsten Kindes wurde der Frau dann wieder eine Vollzeittätigkeit zugemutet. Dieses Modell wird im neuen Recht völlig aufgegeben, erläuterte die Fachanwältin für Familienrecht.

Da es ein Anspruch für einen Kindergartenplatz ab dem 3. Lebensjahr gäbe, setzt der Gesetzgeber hier an. Ab diesem Zeitpunkt wird davon ausgegangen, dass die Frau arbeiten gehen kann. In jedem einzelnen Fall muss nun geprüft werden, ob der Frau eine Arbeit zumutbar ist und wenn ja, in welchem Umfang. Fragen nach den Betreuungsmöglichkeiten vor Ort oder einer gesundheitlichen Einschränkung der Frau werden berücksichtigt. Aber auch, ob es sich bei den Kindern um Problemkinder handelt und somit eine intensivere Betreuung benötigen.

Beweislast liegt bei den Frauen

Eine radikale Änderung besteht nun darin, dass die Frau im Scheidungs-Prozess die volle Beweislast dafür hat, warum sie nicht oder nicht voll arbeiten kann. Der Unterhaltspflichtige kann sich dagegen im Prozess entspannt zurücklegen und abwarten.

Die Familienarbeit der Frau wird durch diese Vorgehensweise abgewertet, urteilte die Schwäbisch Gmünder Anwältin. Während nach altem Recht die Betreuung bis zum 15. Geburtstag eines Kindes als Normalfall angesehen wurde, müsse sich die Frau jetzt dafür rechtfertigen, weshalb sie mit einem fünfjährigen Kind nicht arbeiten gehe. Früher wurde die Familienarbeit als gleichwertig gegenüber der Berufstätigkeit des Mannes angesehen. Heute werde von der Frau erwartet, dass sie einer Erwerbstätigkeit nachgehe, die Kinderbetreuung organisiere und die Erziehungsarbeit leiste, die ja bekanntlich nicht mit dem Ende des Kindergartentages aufhöre.

Die Frage, ob ein Kind im Scheidungsfall zu Hause betreut wird oder nicht, ist letztlich nicht mehr eine elterliche Entscheidung, sondern in erster Linie eine Frage der bestehenden Betreuungsmöglichkeiten. Wenn eine Ganztagsbetreuung für Kinder angeboten wird, muss eine Mutter nach der Scheidung in der Regel auch Vollzeit arbeiten.

Das einem Mann nach einer Scheidung eine neue Existenz auch mit einer neuen Familie möglich ist, ist sicher eine der Errungenschaften des Gesetzes. Die bis dahin geltende Lebensstandardgarantie für die geschiedene Frau hat so manchem Mann die Luft zum Atmen genommen. Aber warum muss man von einem Extrem in das nächste fallen, fragte sich die versammelte Zuhörerschaft der Frauen Union.

Konsequenzen für unsere Gesellschaft

Das Gesetz befördert einen bedenklichen Wertewandel: Einen bestimmten Lebensabschnitt der eigenen Familie zu widmen wird nicht etwa belohnt. Nein, es wird zu einem Risiko. An sich denken und die eigene Karriere fördern ist das Gebot der Stunde. So entgeht man der Gefahr, nach einer eventuell gescheiterten Ehe vor einem finanziellen Scherbenhaufen zu stehen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Wenn eine Frau voll arbeiten möchte oder aufgrund der finanziellen Situation arbeiten muss, dann spricht überhaupt nichts dagegen. Der Gesetzgeber zwingt die Frauen hier aber in eine ganz bestimmte Lebensform: die arbeitende Mutter. Die Freiheit, sich ausschließlich für die Familienarbeit zu entscheiden, wird eingeschränkt. Das sei unerträglich, so die einhellige Meinung der Anwesenden.

Engagierte Diskussion

Wichtige Fragen diskutierte die Frauen Union im Anschluss an den hervorragenden Vortrag: Was passiert, wenn es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz bereits ab dem 1. Lebensjahr gibt. Muss die Mutter, dann ihr Kind ab dem 1. Lebensjahr abgeben?

Wie geht die Gesellschaft mit Frauen um, die sich viele Jahre um die Familie gekümmert haben? Sie gelte als ungelernt, wurde einer Teilnehmerin bescheinigt, die sich nach 17 Jahren Familienzeit wieder in ihrem Beruf bewerben wollte. Kann sich unsere Gesellschaft das leisten, fragte sich die Versammlung?

Wird das verfassungsrechtlich garantierte Institut der Ehe nicht ausgehöhlt, wenn man keinen Unterschied mehr macht zwischen den Unterhaltsansprüchen einer geschiedenen Mutter und einer nicht verheirateten Mutter? Was ist die Ehe unserer Gesellschaft noch wert?

Am Ende eines spannenden Abends dankte die Kreisvorsitzende Gertrud Gutknecht der Referentin für ihren informativen und kenntnisreichen Vortrag, den sie in souveräner Weise vorgetragen hatte. Einen Dank sprach sie auch den anwesenden Mitgliedern und Interessierten aus, die lebendig diskutiert hatten.


 


 


 


 


 


 

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